Bäcker/in - Ein absolut unterschätztes Berufsbild - Teil 2

 (Lesezeit: ca. 5,5 Minuten)

frische Brötchen der Bäckerei Ihr guter Liebig werden von Hand in einen Korb abgeschüttet



Heute schreibe ich endlich weiter über ein Thema, welches ich zuletzt in diesem Beitrag begonnen hatte - das absolut unterschätzte Berufsbild Bäcker/in. Ganz wichtig ist auch dieses Mal, ich schreibe hier über meine eigene Meinung dazu, welche Ihr respektieren solltet. Selbstverständlich dürft Ihr mir in der Kommentarspalte zustimmen, eure Meinung näher bringen, diskutieren und in Frage stellen - bleibt bitte respektvoll!

Bäcker/in - Ein absolut unterschätztes Berufsbild - Teil II


Nachdem ich Euch beim letzten Mal eine Lesezeit von ca. 8,5 Minuten über die Ausbildung im Handwerk und den fehlenden Nachwuchs mit auf den Weg gegeben habe, würde ich heute den Gedankengang gerne wieder aufnehmen und über die Arbeitszeiten schreiben. Das ist eines der beiden Hauptkriterien beim Beruf Bäcker/in - Bezahlung & Arbeitszeiten.

Arbeitszeiten im Bäckerhandwerk


Die Nachtarbeit ist und bleibt wahrscheinlich eines der größten abschreckenden Themen, sobald sich jemand - vor allem junge Erwachsene auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz - mit dem Beruf Bäcker/in auseinandersetzt. Ja, viele Bäckereien arbeiten in der Nacht - manchmal aus guten Gründen. Beispielsweise aufgrund von Verbrauchererwartungen.

Es mag zum Teil auch eine Ausrede sein, das will ich garnicht leugnen, jedoch glaube ich, dass viele Bäckereien vor allem deshalb den Hauptteil der Produktion in der Nacht erledigen, weil Verbraucher/innen morgens früh schon das volle Sortiment im Fachgeschäft erwarten. Warum? Das ist eigentlich offensichtlich: unsere Gewohnheiten haben sich stark verändert. Viel mehr Menschen arbeiten in Vollzeit und zu Zeiten, die ein reguläres Einkaufsverhalten schwierig gestalten. Auch in Familien ist es inzwischen häufig der Fall, dass alle Elternteile arbeiten. So bleibt leider nur noch wenig Zeit zum Einkaufen. Also möchte man auf dem Weg zur Arbeit nicht nur ein kleines Frühstück, oder einen Snack für die Pause, sondern auch das Brot für die kommenden Tage einkaufen.

Ja, wir als Bäckerei könnten unsere Öffnungszeiten auch einfach verändern, so dass unsere Kundschaft uns auch nach 18 Uhr noch erreichen und bei uns einkaufen kann - jedoch verlagern wir hiermit die unangenehme Arbeitszeit nur von der Produktion in den Verkauf. Das ist also auch nicht die perfekte Lösung. Wir könnten einen Lieferdienst anbieten - es ist ja aber wahrscheinlich niemand zuhause, was das Anliefern etwas erschweren würde. Auch das ist also nicht der perfekte Weg.

Auch ein Grund die gesamte Produktion nachts laufen zu lassen ist, dass sowieso mindestens ein bis zwei Bäcker/innen am Ofen stehen müssen. Es ist also so oder so jemand in der Backstube, sonst gibt's ja keine frischen Brötchen für's Frühstück. Während das Brot oder die Brötchen im Ofen sind ist noch Zeit, also kann man die Brötchen für den Folgetag produzieren, das Brot das als nächstes in den Ofen muss, die Plunderteilchen und und und. Und damit das nicht zu viel auf einmal wird, sind eben auch die Kolleg/innen zum Teig bereiten und Aufarbeiten da.

Wir haben in der Familie schon oft und ausgiebig darüber gesprochen, wie und ob wir das "Problem" Nachtarbeit angehen können. Man kann nicht leugnen, dass es z.B. für den Familienalltag durchaus schwierig sein kann, wenn einer der Elternteile nachts arbeitet und deshalb einen Teil des Tages schläft. Auch mit Freunden am Abend feiern gehen hat einen leichten Beigeschmack, wenn man weiß, dass man noch in die Backstube muss. Doch es gibt auch positive Seiten. Nachtzuschläge, mittags frei haben, wenn die anderen auf der Arbeit sind und natürlich freie Straßen auf dem Arbeitsweg - überzeugt? Nein? Dachte ich mir fast schon.

Was viele Menschen vergessen, ist das es noch immer Menschen gibt, die einen Beruf leben, und ihn nicht nur wegen des Geldes oder der tollen Arbeitszeiten ausüben. Und das trifft auf viele Bäcker/innen zu. Deshalb organisiert man sich mit der Nachtarbeit, teilt seinen Schlaf auf, um seine Zeit über den Tag so gut wie möglich zu nutzen. Die Nachtzuschläge sind für viele überlebenswichtig und helfen Miete und Rechnungen zu zahlen. Morgens nach der Arbeit an die frische Luft zu kommen ist für manche wie Meditation, ebenso wie das kreative Arbeiten mit den Händen.

Um dies in den Tag zu verschieben müssten wir also deutlich mehr Geld für Lohnkosten einplanen, und das bei einem Handwerksbetrieb. Die Nachtzuschläge (in unserem Fall sind das aktuell 25% zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr) sind steuerfrei. Das bedeutet, wenn wir in den Tag wechseln wollen, müssen wir für unsere Mitarbeiter/innen in der entsprechenden aktuellen Nachtschicht die Löhne um einige Prozente für die eigentlich zu diesen Zeiten verdienten Nachtstunden anheben, damit das gesamte Gehalt am Ende des Monats nicht sinkt. Um diese Steigerung genau zu berechnen müsste ich jetzt die durchschnittlichen Nachtstunden je Monat sowie den Steuersatz jeder betroffenen Person zugrunde legen und genau berechnen, um wie viel der Lohn angehoben werden muss. Aufwendig, aber möglich. Doch das nötige Geld diese Löhne auch bezahlen zu können muss erst einmal verdient werden.

Es gibt durchaus inzwischen Bäckereien, welche Ihre Arbeit zum Teil (oder gar komplett) weiter in den Tag gelegt haben. Beispielsweise Bäckereien, welche nur Brot backen und Ihre Öffnungszeiten von Anfang an auf den späten Vormittag, z.B. 11 Uhr gelegt haben. Würden wir unsere Öffnungszeiten jetzt nach hinten verschieben, würden wir die Frühstücker/innen und Snackeinkäufer/innen verpassen. Würden wir einen Teil des Sortimentes nach hinten verschieben, z.B. das Brot generell erst nach 11 Uhr in unsere Fachgeschäfte geben, würden wir auch hier mit deutlichen Umsatzeinbußen rechnen müssen. Dazu käme, dass unsere Fahrer/innen auch länger vor Ort sein müssten.

Wie Ihr seht, ist das alles nicht leicht zu lösen, aber wir bleiben an dem Thema natürlich dran. Warum? Weil es einen ganz klaren Vorteil hat: Es macht diesen wundervollen Beruf attraktiver für junge Menschen - Nachwuchs! Und diesen brauchen wir im Handwerk ganz dringend. Viele Bäcker/innen haben schlechte Erfahrungen mit Ihrem Betrieb gemacht. Wir haben schon die wildesten Geschichten gehört, von Kolleg/innen, welche zu uns gewechselt sind (und teilweise schon seit einigen Jahren bei uns zum Team gehören, wir machen es also scheinbar besser): unbezahlte Überstunden, kaum freie Tage, keine Zuschläge, Löhne unter Tarif, 10-Stunden-Schichten und mehr. Das vermiest uns als Berufsgruppe leider ein wenig das Image, obwohl es da draußen sehr viele Bäckereien gibt, die Ihre Mitarbeiter/innen mehr als fair behandeln!

Für den Fall, dass Ihr Euch jetzt fragt, wie das bei uns aussieht:

- im Regelbetrieb 5 Tage Woche
- bezahlte Überstunden
- Nachtzuschlag
- Feiertage frei, da wir geschlossen haben
- selten mehr als 8,5 Stunden Schicht
- Ausbildungsgehalt 650,- / 730,- / 855,-€ (1./2./3. Lj; Stand 06.2021) zzgl. Azubi-Ticket
- Einstiegslohn für Gesellen nach Tarif - bei entsprechenden Leistungen über Tarif
- Betr. Altersvorsorge, Mitarbeiterrabatte usw. gibts natürlich auch

Sind wir perfekt? Um Gottes Willen nein. Wir werden weiterhin an uns arbeiten, und vielleicht in Zukunft auch tagsüber in der Backstube stehen. Und auch wenn es sich sicherlich manchmal etwas pessimistisch liest blicke ich voller Optimismus in unsere Zukunft. Ich liebe den Beruf, was mich allerdings nicht davon abhalten darf, auch die Schattenseiten etwas zu beleuchten.

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Im bald kommenden Teil 3 meiner Serie "Bäcker/in - Ein absolut unterschätztes Berufsbild" geht es dann um Lohn & Gehalt. Das ist sicherlich auch spannend, wird aber auch etwas kürzer als die ersten beiden Texte, da es sich einfacher auf den Punkt bringen lässt. Ich hoffe, wir lesen uns wieder - und vergesst nicht in den Kommentaren fair zu sein.

Euer Chris

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